Schon zahlreiche Biografen haben sich an Hans Falladas Leben abgearbeitet – und ihn doch nie ganz zu fassen bekommen. Denn Rudolf Ditzen (1893-1947), wie Hans Fallada eigentlich hieß, lebte mehrere Leben gleichzeitig. Er war Alkoholiker und Schürzenjäger, Familienvater und Kartoffelexperte, Straftäter und Antifaschist. Doch zuallererst war er ein großartiger Erzähler, "Der eiserne Gustav", "Kleiner Mann, was nun?" und "Jeder stirbt für sich allein" gehören zu seinen Werken.
Im idyllischen Carwitz in Mecklenburg-Vorpommern, dort wo die Eiszeit sanfte Hügel und tausend Seen hinterlassen hat, war Hans Fallada elf Jahre lang zu Hause, die Zeit gehörte zur glücklichsten und produktivsten des Erzählers. Hier lebte er mit seiner Frau Anna und den drei Kindern. Bis heute sind Falladas Spuren in Carwitz sichtbar: In dem ehemaligen Wohnhaus befindet sich nicht nur sein Schreibtisch, sondern auch ein kleines Fallada-Museum.
Dort wird auch erklärt, was die Faszination an dem Menschen Fallada ausmacht. So wird der Fallada-Biograf Peter Walther zitiert. Dieser erklärt, die Bilder von Fallada lassen sich nur schwer in Deckung bringen: "Hier der disziplinierte Arbeiter, der pedantisch den Alltag plant, der respektierte Landwirt, der liebende Familienvater und zuverlässig für seine Angestellten sorgende Vorstand des Hauses. Und dort der Künstler, bedrängt von seinen Dämonen, der Erotomane, der politische Opportunist, der Alkoholiker und Morphinist."
Fallada selbst hat seinen Biografen die Arbeit noch schwerer gemacht. Indem er auch in seinen Erinnerungsbüchern die Grenzen von Literatur und Lebenswirklichkeit ständig verwischte, machte sich Fallada zur lebenden Legende. Seine "autobiografische" Schrift "Damals bei uns daheim" (1941) ist mehr als unzuverlässig. So gestand Fallada in Briefen an seine Schwester Elisabeth, "dass ich über Themen fabuliere, also über Eltern, Geschwister, Verwandte, ich stehle auch schamlos Kindheitserlebnisse von andern." – Da bleibt dem Biografen nur der Abgleich mit anderen Quellen.
Der Reichtum an Quellen zu Falladas Leben ist enorm. Das Archiv in Carwitz umfasst rund 8.000 Briefe. Sie stammen aus den Jahren ab 1928 und sind größtenteils unveröffentlicht. Außerdem pflegte Fallada in der Carwitzer Zeit diverse Arbeitskalender, in denen er täglich kleine Notiten machte. Spuren hiterließ Fallada auch in Prozess- und Krankenakten. Nicht zuletzt war Falladas Familie sehr schreibfreudig: Von Mutter, Vater und Großmutter sind ebenfalls Erinnerungen überliefert.
Doch auch bei noch so genauer Recherche, bleibt jede Biografie ein Stück weit fiktional. Denn eine gute Geschichte, braucht einen roten Faden. Doch welches Leben verläuft schon nach Plan? "Ohne diese Unterstellung, ohne diese im Rückblick empfundene Einheit und Folgerichtigkeit des Lebens, ist eine Biografie überhaupt nicht denkbar", erklärt Peter Walther. "Diese Spannung lässt sich im Erzählen nicht auflösen, daher hat jede Biografie, die über eine pure Materialsammlung hinausgeht, mehr oder weniger fiktionalen Charakter."
Selber hinfahren:
Hans-Fallada-Museum
Zum Bohnenwerder 2
Carwitz/Feldberger Seenlandschaft
Tel.: 039831/20359
www.fallada.de